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Gedanken zum Tag der Menschenrechte

Wir teilen diesen Monat passend zum Tag der Menschenrechte am 10.12. Informationen, Gedanken und Stellungnahmen über unseren (Advents-)Menschenrechtskalender auf unseren Kanälen. Die folgende Schilderung wurde verfasst von unserer Migrationsberaterin (MBE), die in der täglichen Beratung bei GIZ unweigerlich viel von den persönlichen Schicksalen ihrer Klient*innen erfährt.

Es ist Mittwoch, ein normaler Arbeitstag für mich bei der GIZ in Spandau. Seit 6 Jahren arbeite ich nun als Migrationsberaterin. Auch heute stehen einige Beratungstermine an. Eine junge Afghanin in meinem Alter sitzt mir gegenüber, sie brauche dringend Hilfe für eine Freundin.

Es folgt die Geschichte einer afghanischen Frau, die ihren Mann im Kampf gegen die Taliban verloren hat. Kurz darauf übernahmen diese die Macht im Land und stürzten die Regierung. Nach dem Tod des Ehemannes blieb sie in dem gemeinsamen Haus und lebte von Einnahmen, die sie durch die Vermietung ihres Autos erzielen konnte- eine verwitwete Frau, allein mit zwei Kindern unter einem Regime, das Frauen lediglich im Haus und als potentielle Mütter vorsieht. Bald darauf suchten die Taliban sie zu Hause auf und wollten sie zwingen, einen ihrer Männer zu heiraten. Die 20-jährige, ledige Tochter solle dann auch mit dem Sohn dieses Mannes verheiratet werden. Sie entgegnete, dass sie lieber sterben wolle, als dies zuzulassen.
Meine Klientin berichtet weinend, dass die Taliban ihre Freundin auf diese Aussage hin mit dem Gewehr zusammenschlugen, mehrfach auf den Kopf abzielten. Man drohte ihr, die Tochter gleichermaßen zuzurichten, würde ihnen nicht der Vertrag über den Hausbesitz, alles Geld, ihre Ausweise und Reisepässe ausgehändigt werden.
Und so verlor diese Frau alles, was sie besaß, inklusive ihrer körperlichen und seelischen Integrität. Mit Unterstützung von Bekannten und Verwandten konnte sie nicht rechnen, wegen der allgemeinen großen Furcht vor der Miliz. Sie floh in den Iran.
Aktuell lebe die Familie nun in einem nassen und schimmligen Kellerraum, ohne Küche und Badezimmer, ohne Geld und ohne Handy. Den Kontakt hält meine Klientin mit ihr über eine iranische Nachbarin. Die verzweifelten Anrufe der Töchter seien besonders schlimm. Die Mutter brauche dringend medizinische Hilfe. Eine Registrierung als Geflüchtete im Iran sei unmöglich. Die erwachsene Tochter ernähre die Familie mit Gelegenheitsjobs. Die jüngere Tochter leide mittlerweile unter Nierenproblemen.



Die entstandenen Bilder in meinem Kopf lassen mich nicht unberührt. Als jemand, die solch ein Leid nie erfahren musste, versuche ich mir vorzustellen, wie es dieser Familie gehen muss. Ich sehe meine Klientin, die unbedingt helfen will, und kaum die Mittel dazu hat, und die noch durch ein schlechtes Gewissen geplagt ist, weil sie selbst in Sicherheit ist. Genau wie ich.

Diese Geschichte ist nur eine von vielen, die für viele Menschen auf der Welt ihre Realität sind. Wir wissen von diktatorischen Regimen, Gewalt, Missbrauch und Armut, sehen die Bilder in den Medien. Wir kennen die Namen der Gruppierungen und Machthaber, die menschenverachtende Ideologien in Form von Gesetzen verankern und brutal durchsetzen. Aber was tun?
Die Verpflichtung aller Länder zur Einhaltung der Menschenrechte ist das oberste Ziel der UN, der Vereinten Nationen. Am 10.12.2022 ist der internationale Tag der Menschenrechte, an dem dieses Jahr das 75-jährige Jubiläum der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“ begangen wurde. Ein Tag, der uns daran erinnert, dass wir schon weit gekommen sind- aber auch daran, dass es immer noch viele Orte gibt, an denen Menschenrechte missachtet und mit Füßen getreten werden, dass diese noch immer nicht selbstverständlich sind. Dass wir als Weltgemeinschaft wachsam bleiben müssen.

Was gerade in Afghanistan und im Iran passiert, ist nur ein Beispiel von vielen. Und auch in Deutschland dürfen wir nicht aufhören zu hinterfragen, ob unsere Aktionen und Ansichten Menschenrechte verletzen. Aber können wir als Einzelpersonen etwas tun?
Der iranische Dichter Sa’adi schrieb passend dazu im Jahr 1259:
„Die Menschenkinder sind ja alle Brüder // Aus einem Stoff wie eines Leibes Glieder // Hat Krankheit nur ein einzig Glied erfasst // So bleibt anderen weder Ruh und Rast //
Wenn anderer Schmerz dich nicht im Herzen brennt // Verdienst du nicht, dass man noch Mensch dich nennt. “
Wir sind alle verbunden- aller Anfang ist es, aufmerksam zu sein, Mitgefühl zu zeigen und sich selbst zu reflektieren. Man stelle sich vor, jeder Mensch würde das tun- jeden Tag sein Bestes geben, empathisch und selbstkritisch auf Situationen zu reagieren. Wäre dann diese Welt nicht ein besserer Ort?

Die Migrationsberatung bei GIZ berät erwachsene Zuwanderer bei ihrer Erst-Orientierung in Deutschland, zu rechtlichen Fragen und im Umgang mit Behörden.

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