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Sprache schafft Wirklichkeit – am Beispiel „Migrationsquote“

Der Begriff „Migrationsquote“ ist plötzlich wieder in aller Munde – nicht zuletzt, weil er kürzlich beim sogenannten „Politikergrillen“ mit Welt-Redakteur Jan Philipp Burgard aus Bildungsministerin Karin Prien herausgekitzelt wurde. Die Aussage, sie sei „offen für eine Migrationsquote“ an deutschen Schulen, wurde ihr im Nachhinein etwas zugespitzt in den Mund gelegt – und doch hat das Interview dem Begriff neue Aufmerksamkeit verschafft. Grund genug, sich dessen sprachliche und gesellschaftliche Fallstricke genauer anzusehen.

Als GIZ möchten wir hierzu eine klare Position einnehmen.

Auf den ersten Blick wirkt „Migrationsquote“ wie ein nüchterner, statistischer Begriff – ähnlich wie „Frauenquote“ oder „Einschaltquote“. Objektiv, messbar, klar definiert.

Doch genau das ist er nicht.

Denn was wird hier eigentlich gezählt? Wer fällt unter die sogenannte „Quote“ – Menschen mit nicht-deutscher Staatsangehörigkeit? Mit Migrationsgeschichte? Der ersten, zweiten oder dritten Generation? Mit anderer Muttersprache? Oder gar mit nicht-weißer Hautfarbe? Die Kriterien bleiben meist vage oder willkürlich – und damit alles andere als neutral. Der Begriff suggeriert Objektivität, wo es keine gibt.

Mehr noch: Die Verwendung des Wortes ist in der öffentlichen Debatte häufig negativ konnotiert. Es dient nicht selten als Ausgangspunkt für verkürzte Narrative über „Integrationsprobleme“ oder „gescheiterte Zuwanderung“ – und mündet bisweilen in offen rassistische Konzepte wie der vermeintlichen „Überfremdung“. So trägt der Begriff zur Aufrechterhaltung einer wir-versus-ihr-Logik bei: „Wir“ als vermeintlich homogene Mehrheitsgesellschaft gegenüber einem „Ihr“, das stets als das Andere, das Fremde markiert wird. Migration wird so nicht als Realität oder Ressource, sondern als Problem gerahmt.

Auf politischer Ebene lenkt diese verkürzte Logik von den eigentlichen Herausforderungen ab: von sozialer Ungleichheit, von Armut, Wohnraummangel und struktureller Benachteiligung im Bildungssystem. Statt diese Probleme differenziert zu analysieren, werden sie unter dem Deckmantel der „Migrationsquote“ pauschal ethnisiert – und damit gefährlich vereinfacht.

Sprache ist nie neutral. Begriffe wie „Migrationsquote“ mögen harmlos klingen, doch sie formen Wahrnehmung – und mit ihr politische Realität. Wer Verantwortung trägt, sollte deshalb sehr genau überlegen, welche Worte er oder sie wählt – und welche Bilder und Emotionen damit erzeugt werden.

Viele soziale Organisationen zeigen bereits tagtäglich, dass es auch anders geht: Mit gezielter, problemorientierter und zugleich chancenorientierter Arbeit setzen sie dort an, wo es wirklich zählt – bei den Menschen, in den Schulen, Stadtteilen und Familien. So wie wir, die GIZ, in Spandau. Wir begegnen Spandauer*innen nicht mit Schablonen und Machtbegriffen, sondern mit Offenheit, Pragmatismus und Zuversicht. Wir bauen Brücken statt Mauern, stärken Potenziale statt Ideen von Quoten. Wenn die Politik es wirklich ernst meint mit Chancengerechtigkeit für alle Kinder in Deutschland, dann sollte sie genau hier ansetzen: bei der konsequenten finanziellen und politischen Unterstützung jener Projekte und Träger, die längst zeigen, wie Integration, Bildungsgerechtigkeit und gesellschaftlicher Zusammenhalt gelingen können.

Julia Naji

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